Murder Mystery Machine – Der rote Faden an der Falltafel

Welche Krimi-Serie oder welcher Cop-Thriller kommt trotz modernster Ermittlungsmethoden ohne die typische Wandtafel mit Fotos, Beweisen und die Verknüpfung mittels rotem Faden oder Stift aus? Gefühlt keine. Murder Mystery Machine ist das Spiel dazu.

Und eben weil das Anbringen von Fotos, Zeitungsartikeln und Beweisstücken und das Einkringeln mit einem roten Stift und das Verbinden der Hinweise so ein starkes, wiederkehrendes Stilmittel im Krimi-Genre ist, bin ich immer sehr gespannt, wie die Verknüpfung von Beweisen und das Erzielen von Ermittlungsergebnissen in Krimi-Spielen umgesetzt ist.

Murder Mystery Machine stellt nun diese Falltafel in den absoluten Mittelpunkt, in dem es uns die Hinweise beim Nachdenken in einer Mindmap verknüpfen lässt.
Aber der Reihe nach.

Im Polizeikeller

Wir starten in der Rolle von Cassandra Clarke, einer Absolventin der Polizeiakademie, die in der District Crime Agency (auf deutsch weniger aufregend klingend: Bezirkskriminalamt) eingesetzt wird. diese befindet sich in einem kargen Kellerraum, in dem der unfreundliche Detective Nathaniel Huston hockt.
Wie üblich im Thriller oder Krimi steht dieser dem Rookie zunächst abweisend und herablassend gegenüber. Das ist nicht weiter schlimm, das wird sich ändern. Das haben wir schon unzählige Male gesehen.

Vom Keller aus starten wir unsere Fälle. Jeder Fall besteht aus 5 Szenen, die wir nacheinander abarbeiten müssen, um den Fall zu lösen. Jede Szene besteht aus einer Location. In der ersten Szene eines Falls ist das der Tatort, in den weiteren Szenen kommen wir dann entsprechend dem Ermittlungsstand zu anderen Schauplätzen.

Die Schauplätze der Ermittlung

Die Schauplätze werden in einer isometrischen Ansicht dargestellt, die in 90-Grad-Schritten gedreht sowie vergrößert und verkleinert werden kann. Hier ist unsere Aufgabe alle Hotspots aufzudecken und Gespräche mit Beteiligten zu führen. Ein Inventar gibt es nicht. Man klickt sich durch die Szene, bis man alle Items gefunden und alle Gespräche geführt hat.
Dann kommt die Mindmap ins Spiel – also unsere eingangs erwähnte Falltafel. Denn alle Personen (Opfer, Zeugen, Verwandte, Beteiligte), alle Items und alle Hinweise, die wir gefunden oder über Gespräche erhalten haben, erzeugen einen Eintrag in der Mindmap. Dort erfolgt die eigentliche Ermittlung, die harte Detektivarbeit – durch Nachdenken.

Die Mindmap

Über eine Schaltfläche begeben wir uns in unsere Gedankenwelt in Form der Mindmap. Schon mit dem Eintreffen am Schauplatz stehen uns die ersten Informationen zum Fall als Knoten bereit und einige davon sind bereits miteinander durch Linien verbunden. Wer ist das Opfer, wer hat es gefunden, erste Zeugen, sichergestellte Gegenstände oder Ähnliches. Durch die Ermittlung am Schauplatz kommen weitere Knoten hinzu. Der Spieler muss nun manuell zusätzliche Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Elementen herstellen. Ist eine Verbindung wichtig, wird einem das optisch angezeigt und es stehen in der echten Welt weitere Ermittlungsmöglichkeiten oder Dialogoptionen zur Verfügung.

Im Gegensatz zu anderen Spielen dieser Art, z.B. Sherlock Holmes: Chapter One oder Agatha Christie – Hercule Poirot: The First Cases (das später erschienene Spiel vom gleichen Hersteller) ist eine Sache besonders hervorzuheben: Alle Knoten lassen sich frei verschieben und neu anordnen. So kann man wirklich eintauchen in die Vorstellung, als Ermittlerin vor der Falltafel zu steht und Fotos neu anzuordnen, um einen anderen Blickwinkel auf den Fall zu bekommen. Und das ist auch wichtig. Denn die Informationen werden nach und nach komplex.

Neben den Verbindungen einzelner Knoten untereinander dürfen wir auch das übergeordnete Ermittlungsziel für das Abschließen der Szene nicht aus den Augen verlieren. Am rechten Rand der Mindmap sind diese aufgelistet. Das kann ein neuer Verdächtiger sein, ein neuer Ort, eine Tatwaffe oder ein Motiv. Hier müssen wir nun aus unseren ermittelten Hinweisen und Schlussfolgerungen die richtigen Knoten auswählen und mit den Zielen verknüpfen. Das ganze schicken wir dann zur Bewertung.

Fortschritt der Ermittlung

Das Spiel zeigt uns zwar durch farbige Markierungen der Verbindungslinien an, ob die zum Weiterkommen erforderlichen Knoten in der Mindmap korrekt verbunden sind, nicht jedoch ob unsere daraus abgeleiteten und verknüpften Ermittlungsergebnisse korrekt sind. Das erhöht die Spannung und man ertappt sich dabei, noch mal alle Hinweise zu überprüfen, bevor man den Zur-Bewertung-Abschicken-Button drückt.

Dann erfolgt die Bewertung des Ermittlungserfolges für diese Szene. Hat man die falschen Schlüsse gezogen, muss man zurück zur Mindmap. Andernfalls erhält man eine Übersicht über seine Ermittlung und eine Einschätzung in Form einer Note. Hat man nicht alle Hinweise und Verbindungen gefunden oder sich von der integrierten Hilfe Tipps geben lassen, erhält man Abzüge an der Note.
Später nach Abschluss des Falls kann man einzelne Szenen wiederholen, um seine Bewertung zu verbessern.

Hat man die Szene erfolgreich abgeschlossen fahren Cassandra und Nate zurück in ihren Keller. Von dort aus kann die nächste Szene begonnen werden. Hat man alle Szenen abgeschlossen, folgt der nächste Fall.

Stimmung und Atmosphäre

Die einzelnen Fälle sind in einer größeren Story eingebettet, die sowohl in den Gesprächen und zwischen den Szenen weitererzählt wird als auch durch die Hinweise und Ermittlungserfolge in der Mindmap.

Die ersten Fälle wirken zunächst bewusst so, als hätten sie keine Verbindung. Mit fortschreitender Spieldauer werden die Fälle jedoch immer komplexer und verbinden sich zu einem gemeinsamen, düsteren Geflecht größerer Verbrechen, die durch Macht, Gier, Politik, Korruption und Verschwörungen verursacht werden. Eben wie in einer guten TV-Krimi-Serie mit Noir-Touch.

Die isometrischen Schauplätze sind treffend und detailreich gestaltet, die Beleuchtung – ein wahrer Augen-Genuss – lässt perfekte Stimmung aufkommen. Auch die 3D-Modelle der Charaktere fügen sich in ihrer zeitlosen, comic-haft stilisierten Form gut ins Bild ein.

Auf der Sound-Spur gibt es keine Sprache zu hören, nur unaufdringliche Geräusche und leise Variationen vom Titelmusik-Thema. Doch der Titeltrack geht sofort ins Ohr und steht den Intro-Stücken namhafter Serien oder Filmen in nichts nach. Überhaupt ist diese wiederkehrende Szene, in der unsere Protagonisten vor der Falltafel stehen und rotes Laser-Licht die Verbindungen zwischen den Schauplätzen ziehen, wundervoll stimmig und getragen vom Musik-Thema die perfekte Einstimmung auf das Spiel.

Echte Ermittlungsarbeit

Repetitiv alle Hotspots abklappern und in der Mindmap so lange Fäden ziehen, bis es endlich weitergeht? Ist das alles? Beim ersten Fall dachte ich genau das. Es gibt kein Inventar, die Hotspots sind spärlich, die Umgebungen wenig interaktiv. Findet man ein Foto als Hotspot, gibt es kaum Informationen oder gar eine Detailansicht. Das Foto wandert lediglich als Hinweis in die Mindmap. Das ist alles etwas untypisch für ein Adventure und hier hätte etwas mehr sicher noch zur Immersion beigetragen. Doch der Star ist nun mal die Mindmap.
Dort entfaltet das Spiel dann später auch seine ganze Komplexität, die einen dazu zwingt, wirklich wie ein Ermittler zu denken und die Hinweise an seiner Falltafel immer wieder neu zu ordnen und einzuschätzen. Hinweise finden, Verbindungen finden in der Mindmap, Verdächtige weiter befragen, neuen Hinweisen nachgehen, Verbindungen finden in der Mindmap, … . Auch repetitive Arbeiten gehören eben zum Alltag der Kriminalpolizisten.

Fast wie im Fernsehen

Dass sich die Story und die Fälle dann zum großen Mysterium einer ganzen Stadt entwickeln und sich wahre Abgründe auftuen, sorgt dafür, dass sich Murder Mystery Machine wie eine gute Krimi-Serie im TV oder Streaming-Kanal anfühlt. Und das ist kein Zufall. Entwickler Blazing Griffin, der neben Spielen auch Filme und Serien produziert, ließ die Geschichte des Spiels von Fernsehautoren schreiben und sollte dem Stil einer Fernsehserie folgen. Das ist absolut gelungen.


Das Spiel ist seit 2021 bei Steam erhältlich, zuvor schon für Mac und iOS. Nachfolger im Geiste vom selben Entwickler sind Agatha Christie: Hercule Poirot – The First Cases (2021) und das kürzlich erschienene Agatha Christie: Hercule Poirot – The London Case (2023)

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