Jazzpunk

Bei Slapstick-Comedy ist alles eine Frage des Timings. So gibt es zwar viele lustige Spiele aber eben kaum Slapstick. Jazzpunk versucht es trotzdem.


Nice Beaver

Aufgewachsen in den 80ern und 90ern kenne ich Slapstick-Komödien, wie die der ZAZ (z.B. Airplane, Die nackte Kanone, Hot Shots!) nur zu gut. Jede Szene war über mehrere Ebenen vollgepackt mit Humor. Neben den offensichtlichen Aktionen im Vordergrund gab es unzählige Wortwitze in den Dialogen, kleine Gags an Nebenschauplätzen und am Bildrand und Statisten mit Slapstick-Einlagen im Hintergrund. Allein die Kulissen – voll versteckter Gags. Die Ebenen deckten nicht nur die gesamte Bandbreite des Humors ab, die Szenen waren zum Teil so vollgepackt, dass man keine Chance hatte, beim ersten Sehen alles zu erfassen. Diese Art Film in dieser Qualität gibt es heute nur noch selten. Und so wirkt auch Jazzpunk reichlich aus der Zeit gefallen, versucht es doch dieses Prinzip auf ein Computerspiel zu übertragen und damit auch den sehr ambitionierten Beweis anzutreten, dass sich perfekt getimter Slapstick und das interaktive Medium Spiel nicht ausschließen.

Polyblank

Ursprünglich als seriöses Agenten-Spiel mit ein paar humoristischen Momenten geplant, hatten die Entwickler so viel Spaß an diesen Teilen, dass sie irgendwann entschieden, aus dem gesamten Spiel eine Komödie zu machen.

Unsere erste Mission. Ernster wird es nicht mehr.

Und so ist das Spiel ein wilder Mix aus den Lieblingsbüchern und -filmen der Entwickler geworden. Ob 50er- / 60er-Jahre Spionage im kalten Krieg, 70er-Jahre James Bond Look, 80er-Jahre Cyberpunk, Film Noir, Alien, Bladerunner, Pop-, Leet- und Nerdkultur … hier wird alles verwurstet und referenziert.

Das Spiel ist voll mit Referenzen auf die Popkultur

Die Story um den elektrischen Agenten Polyblank, der von seiner Agency auf Spionagemissionen geschickt wird, ist genau so wild. Der Spieler steuert den Agenten in Ego-Perspektive durch eine bunte Low-Poly Pop-Art Welt und kann die Areale frei erkunden. Die vier Missionen haben nur einen Zweck – Abfeuern von Gags. Abseits der kurzen Hauptroute zum Ziel der Mission gibt es unzählige Anspielungen, Referenzen und Minispiele zu entdecken. Manchmal purer Nonsens, manchmal extrem clevere Parodien, manchmal sehr spezieller Insider-Humor, manchmal unübersetzbarer Wortwitz. Dieses Gag-Feuerwerk sucht im Gaming-Bereich seinesgleichen.

Einer der unzähligen Wortwitze.

Gag-Feuerwerk

So kann man dann beispielsweise mit einer Sprühflasche Tauben-Pheromone auf Passanten sprühen und abwarten, wie die Biester im Schwarm kommen.
Man kann im Kino rauchen und die Vorderleute mit Popcorn bewerfen.
Man kann in einem Porzellanladen Fliegen jagen.
Ich muss das Gesicht schminken mit wackeligem Mauszeiger.

Fliegen jagen im Porzellanladen – eines der vielen absurden Minispiele

Man kann einem Frosch helfen, sich ins Starbucks WiFi einzuwählen, in dem man zuerst eine Runde Frogger spielt und dann die Zunge des Froschs steuert, um IP Adressen zu fangen.
Es gibt Wedding Cake, einen kompletten FPS Deathmatch Shooter ala Quake mit Hochzeits-Thema.
Es gibt eine Zombie-Survival-Parodie mit Film- und Literatur-Parodie obendrauf.

Spiel-Parodie mit Film-Referenz und Literatur-Parodie.

Man kann natürlich seinen Hintern kopieren.
Natürlich gibt es Furzkissen.
Natürlich gibt es auch den „Ich tue so, als ginge ich eine Treppe runter“-Gag.
Natürlich gibt es Torten im Gesicht.
Es gibt gewachste Flur-Bereiche, in denen man ins Rutschen kommt, es gibt neben dem Feuermelder auch einen Eismelder, der dann im Falle eben Flammen auslöst.
Es gibt diesen Slapstick im Hintergrund, wenn durch eigene Aktionen Figuren von Brücken fallen und einen Verkehrsunfall verursachen.

Der Holzhammerhumor darf auch nicht fehlen.

Es ist so unglaublich.
Und überall NPCs, die irgendeine verrückte Aktion auslösen, mindestens aber einen Wortwitz.
Allein der Stil. Die Bewohner dieser verrückten Welt sind in einem Stil aus Pop-Art-Lego und den Figuren aus Gravity Bone und Thirty Flights of Loving gehalten, denen man Trenchcoat und Hut draufgemalt hat.
Oder Bikini.
Oder Roboter-Outfit.
Oder das Hemd und die Brille von Raoul Duke.
Je nach dem, was man grad braucht.
Zum Schießen.

Das Gag-Frequenz ist unglaublich hoch.

Das Spiel

Das Spiel selbst, eine Art Exploration-Adventure, hat dabei durchaus seine Macken und Schwächen. Da alles den Gags untergeordnet ist, geht der rote Faden mitunter verloren. Versucht man nur diesem zu folgen, ist man auch relativ schnell durch, denn die Level sind recht klein. Der eigentliche Antrieb des Spieles besteht eben darin, alle Gag-Trigger zu finden. Wem das als Motivation nicht ausreicht, hat es schwer. Wer eine gute Story erwartet ebenfalls. Oder fordernde Rätsel. Oder anspruchsvolle Spielmechaniken.

Wer sich jedoch auf das Spiel einlässt, wer der Pop- und Nerd-Kultur nicht völlig abgeneigt ist, wer Minispiele aushält, wer mit Slapstick etwas anfangen kann und Freude daran hat, die Spielwelt nach den Gags zu durchsuchen, der wird Jazzpunk lieben. Einen Platz auf meiner All-Time Favorite Liste hat das Spiel sicher.

 

 

Minispiel Frogger
Spinnen sammeln im Restaurant – Ein weiteres Minispiel.
Wedding Cake – Als Quake-Parodie wurde ein kompletter FPS eingebaut.
Die Charaktere sehen aus wie Pop-Art-Legos.
Bluescreen – selbst dieser Gag sitzt. Danke Microsoft.

Quellen:

 

Ein Gedanke zu „Jazzpunk

  • 29. November 2017 um 10:49
    Permalink

    Ahh Jazzpunk. Ist schon eine Weile her. Aber danke für die Erinnerung. Ich war anfangs ein wenig irritiert, da ich nur ein normales, lustiges Adventure erwartet hatte. Und plötzlich war ich schon durch den ersten Level durch. Keine Rätsel, keine richtigen Dialoge. Hä? Erst dann bemerkte ich, wie lustig und speziell das Spiel ist.

    Antwort

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