Dave Gilberts Blackwell-Serie

Mit Unavowed veröffentlichte Wadjet Eye kürzlich ihr neustes Adventure. Da im selben Universum angesiedelt, wird es Zeit, dass ich mir die großartige Blackwell-Serie noch mal genau anschaue.

Vor Jahren, als ich während der Adventure-Flaute Anfang der 2000er regelmäßig die AGS Webseite nach neuen Spielen durchsuchte, stieß ich auf ein paar Namen von Entwicklern, über die ich in den nächsten Jahren immer wieder stolpern sollte. Ben „Yahtzee“ Croshaw war so ein Name, Verantwortlicher der Horrorspiele 5 Days a Stranger, 7 Days a Sceptic und Trilby Notes … . Oder Francisco Gonzales mit seiner Ben Jordan Reihe. Oder eben Dave Gilbert.


Nachdem dieser beschloss, seine Spiele unter dem Label Wadjet Eye kommerziell zu veröffentlichen und mit dem kurzen, sehr speziellen Rabbiner-Krimi The Shiva einen Achtungserfolg verbuchen konnte, ließ er 2006 den ersten Teil der sympathischen Blackwell-Serie folgen. Ein erster Schritt dahin, wo und wofür Wadjet Eye heute steht.

Seitdem verfolge ich den Werdegang von Wadjet Eye und habe fast alle veröffentlichten Titel gespielt. Im Zuge der jüngsten Veröffentlichung „Unavowed“ habe ich nun noch einmal die komplette Blackwell-Serie durchgespielt. Sie hat ein kurzes Review verdient.

The Blackwell Legacy (2006)

Der erste Teil der Blackwell-Serie basiert auf dem Freeware-Title „Bestowers of Eternity“, den Dave Gilbert 2003 veröffentlichte und verwendet die gleichen Charaktere (die junge Schriftstellerin Rosangela Blackwell und den Geist Joey Mallone), den größten Teil der Handlung, nicht aber die Rätsel.

Rosa, freie Journalistin in New York City, erfährt vom Tod ihrer einzigen Verwandten, Tante Lauren. Diese hatte sich einst um die kleine kleine Rosa gekümmert, nach dem ihre Eltern gestorben sind. Doch als Rosa 5 Jahre alt wurde, erkrankte Lauren und wurde in die Psychiatrie eingewiesen. Der behandelnde Arzt erzählt ihr nun, dass ihre Tante eine unbekannte Krankheit hatte, die sie in den Wahnsinn trieb. Sie war distanziert, führte Selbstgespräche und verletzte sich sogar selbst. Seit 25 Jahren wurde sie ruhig gestellt und sagte seitdem kein Wort mehr.
Der Arzt möchte nun Rosa ebenfalls auf eventuelle erbliche Merkmale untersuchen, was diese ablehnt und ihm verheimlicht, dass sie seit kurzem unter starken Kopfschmerzen leidet.

Und dann fährt der Geist Joey Mallone in ihr Leben. Sie muss erfahren, dass sie ein Medium ist, wie schon zuvor ihre Tante und er von nun an ihr ständiger, geschwätziger Begleiter sein wird und sie gemeinsam eine Aufgabe haben: Geistern, die in der realen Welt festsitzen, dabei zu helfen, ihr altes Leben zurückzulassen. Die Geister verstorbener oder ermordeter Menschen hängen auf der Erde fest, weil sie nicht wissen oder nicht akzeptieren können, dass sie Tod sind. Wir müssen nun Informationen zu den Geistern sammeln, um diese damit zu konfrontieren oder durch das Aufklären der Morde zu erlösen. Meist kann man zwischen Rosa und Joey wechseln, was für das Lösen von Rätseln notwendig wird, da sich der Familiengeist durch Wände und verschlossene Türen bewegen kann. Über Tatortdurchsuchung, Dialoge, Notizblockfunktion, Websuche und E-Mail sammeln wir in Detektivarbeit die Informationen zusammen. Methoden, die in allen weiteren Teilen ebenfalls zum Einsatz kommen.

Schon der Anfang des Spiels baut durch viele kleine Details und Hinweise eine unheilvolle Stimmung auf. Eine Stärke der gesamten Serie. Durch persönliche Briefe im Inventar und Fotos an den Wänden erhalten wir Einblicke in die Familiengeschichte von Rosangela Blackwell, die durch den Tod der Tante und dem Erscheinen des Geistes ständig mehr Details offen legt. Diese Familiengeschichte, das Schicksal der Blackwell-Frauen und der Umgang damit sowie die Beziehung zu Joey und die Charakterzeichnungen allgemein wird zur Essenz der Reihe werden, abgerundet durch die Geister-Fälle nach klassischem Detektiv-Schema. Und alles ist bereits in „The Blackwell Legacy“ enthalten. Immer noch sehr spielenswert.
3,5/5 Punkte.


Blackwell Unbound (2007)

Der zweite Teil der Reihe ist ein Prequel von Legacy und führt uns in die 1970er Jahre zu Laura Blackwell. Und Joey. Das Interessante an dieser Situation ist, dass der Spieler (des Vorgängers) die Zukunft kennt, in der Laura fixiert in der Psychiatrie liegt und schließlich stirbt. Jetzt sieht man diese junge Frau, die leicht zu Melancholie und Sarkasmus neigt, trotzdem im Leben steht und sich ihrem Schicksal – der Verbindung mit Joey und ihr Auftrag – stellt. Wie konnte es also so weit kommen?

Die Fälle führen das Duo an verschiedene Schauplätze, die durch Jazz, Blues und Dunkelheit das 70er-Jahre-Gefühl schön einfangen und in Melancholie tauchen. Die Familiengeschichte wird weitererzählt und wir erfahren, wie das Auftauchen von Joey Laura langsam in die selbst gewählte Isolation und Einsamkeit führte. Mit der Gräfin (The Countess), die ebenfalls ein Medium war und nun verwirrt und verrückt agiert, wird ein Antagonist eingeführt, der noch weitere Auftritte bekommen wird und einen leichten Grusel verbreitet. Die Frage, wie die jahrelange Verbindung mit Joey und das Überführen der Geister in die nächste Welt die Blackwell-Frauen verändern wird, macht diese Folge zu einem Frühen Höhepunkt der Serie.
4/5 Punkte.


Blackwell Convergence (2009)

Der dritte Teil führt uns wieder in die Gegenwart zu Rosa, 6 Monate nach dem „Auftauchen“ von Joey. Die Geister-Fälle führen sie in die Film- und Kunstwelt und schließlich zu einer Mordserie, die „die Gräfin“ aus dem zweiten Teil zu verantworten hat. Rosa findet heraus, dass die Gräfin einst ein Medium war, wie Rosa selbst. Doch sie löste das Band zu ihrem „Guide“ (das, was Joey für Rosa ist) und irrt seit dem umher, auf der Suche nach einem neuen Guide. Nach dem Ableben der menschlichen Gräfin in Blackwell Unbound, führt sie ihr Dasein nun als Geist fort und kann Verbindungen zu Menschen aufnehmen und von diesen geführt werden. Zusammen mit dem ehemaligen Guide „Madeline“ versuchen Rosa und Joey die Gräfin aufzuhalten.

Blackwell Convergence nimmt mächtig Fahrt auf, was die Entwicklung der Hintergrundgeschichte bezüglich der übernatürlichen Verbindungen betrifft und wir verbringen erstmals mehr Zeit in der metaphorischen Zwischenwelt und müssen dort Rätsel lösen, um diese wieder verlassen zu können. Auch die Fälle, die wir lösen, sind komplexer und interessanter gestaltet als bisher und Verweise oder Reaktionen auf Ereignisse in den vorherigen Teilen erzeugen eine glaubhafte und zusammenhängende Welt. Es lohnt sich alle E-Mails und Notizen zu lesen.
Mir persönlich war der übersinnliche Teil etwas „to mutch“, bezüglich Technik, Geschichte und Figurenentwicklung erreicht die Serie mit diesem Teil aber eine neue Ebene.
3,5/5 Punkte.


Blackwell Deception (2011)

Blackwell Deception setzt einige Zeit nach den Geschehnissen in Blackwell Convergence ein. Rosa hat inzwischen ein kleines Unternehmen als „Spiritual Consultant“ und untersucht auf Anfrage unnatürliche Vorkommnisse. Das Spiel beginnt auf einer Yacht, die jede Nacht auf dem Hudson River treibt. Das Lösen dieses Falls führt zu weiteren Mordfällen und zur spannenden Suche nach einem Mann namens „Gavin“, der eine Art Geheimorganisation betreibt, über die niemand reden will.

Der Grafikstil des Spieles erfuhr gegenüber dem Vorgänger einige Änderungen, die inkonsistent und insgesamt schwächer wirken. Hintergründe und Figuren sind weniger detailliert, die Closeups haben einen ganz anderen Stil (was in einer Neuauflage behoben wurde). Das liegt auch daran, dass für jeden Titel der Serie unterschiedliche freischaffende Künstler für die Grafiken engagiert wurden und dieser Teil mehr Spielzeit und mehr Locations haben sollte. Es stört aber nur am Anfang oder wenn man direkt nach Convergence weiterspielt.

Die große Stärke von Dave Gilbert ist das „Writing“, was in diesem Teil besonders auffällt. Erstmals sind die einzelnen Fälle komplett zusammenhängend in einem größeren Handlungsstrang verbunden, der sowohl Rosa als auch Joey persönlich betrifft. Zudem erfahren wir erstmals etwas aus der Vergangenheit des Familiengeistes und Geschehnisse aus den anderen Teilen ergeben einen neuen Sinn. Und so schafft es das Spiel, eine sehr dichte, geheimnisvolle Atmosphäre zu erzeugen. Abgerundet wird das Ganze durch neue Komfort-Funktionen (Recherche über Smartphone nun überall statt nur in Rosas Wohnung), die Einführung neuer Verbündeter (Detective Durkinund den vielen kleinen Details und Mails, die die Geschehnisse der Vorgänger kommentieren.
3,5 / 5


Blackwell Epiphany (2014)

Das Finale der Serie beginnt nach dem üblichen Muster. Rosa und Joey untersuchen im Auftrag von Detective Durkin einen Vorfall einem Abbruchhaus. Rosa untersucht als „Spiritual Consultant“ für Durkin inoffiziell die Fälle, die für die Polizei unerklärlich sind. Nach dem Abschluss des Falles wird vor ihren Augen einen Mann namens George Ostin erschossen, der auf der Suche nach Rosa war. Sein Geist, der aus dem Körper fährt, ist besorgt um weitere Personen, die einer unbekannten Gefahr ausgesetzt sind und noch bevor Rosa ihn ins Jenseits begleiten kann, wird er regelrecht zerrissen. Geschockt machen sie sich auf die Suche nach den anderen Personen und dem Hintergrund dieses Vorfalls. Sie ahnen noch nicht, dass nicht nur ihre eigene, sondern die Existenz allen Lebens auf der Erde in Gefahr ist.

In der üblichen Detektivarbeit sammeln wir Hinweise und suchen Personen und Verbindungen und sprechen mit Kontakten. Da Rosa dieses Mal auf den Polizeicomputer zugreifen kann, ergibt das noch mal eine komplexere Variante. Zwischendurch springt das Spiel in die Vergangenheit und wir steuern „die Gräfin“ und ihren Guide „Madeline“ und erfahren von der Verbindung beider zu Joey. Die Geschichte führt dann ab dem letzten Drittel alle losen Stränge zusammen und die gesamte Serie bekommt dadurch noch mehr Tiefe.

Der von mir geschätzte Ben Chandler ist in diesem Teil erstmals als Lead Artist verantwortlich und das sieht man deutlich. Nie war ein Blackwell-Spiel im Grafik-Stil konsistenter, nie waren die Backgrounds atmosphärischer. Man erkennt schon die Qualität, die er mit jedem weiteren Titel (Technobabylon, Shardlight, Unavowed) noch steigern würde.

Blackwell Epiphany ist das Finale, das die Serie verdient. Dramatisch, spannend, düster, emotional. Der Höhepunkt der Reihe bündelt alle Stärken und führt die Geschichte konsequent zu ihrem dramatischen Ende.
4,5/5


 

 

 

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