Fußballmanager in der Retrospektive

Ich hatte als Stift kein großes Interesse an Fußball. Die Fußballmanager der frühen 90er änderten das komplett.

Das Genre der Fußballmanager

Wirtschaftssimulationen haben in Deutschland eine große Tradition. Das Planen, Ordnen und Optimieren von Prozessen mag der Deutsche. Ebenso mag er Fußball. Kein Wunder also, dass die Kombination aus Sport- und Wirtschaftssimulation auch erfolgreiche Titel und Serien hervorbrachte.


Die Simulation des Aufstiegs (oder Fall) eines Fußballvereins ist natürlich eine perfekte Vorlage aus der Realität. Wer würde nicht gern seinen Provinzverein aufpäppeln und in die Bundesliga hieven oder einen abgewirtschafteten Ex-Meister zurück zu altem Glanz führen? Sehr geschickt machten das die Spiele, in dem sie dem Spieler die Kontrolle über Finanzen, Transfers, Stadionausbau, Training und Spielaufstellung gaben und dieser seine eigenen Anekdoten und Geschichten beim Führen seines Lieblingsvereins schreiben konnte.

In dieser Retrospektive geht es um meine persönlichen Erinnerungen an einzelne Spiele, ganze Serien und die Entwicklung des Genres seit den frühen 90ern.

Fußballkarriere

Meine Fußballkarriere war früh beendet. Kaum Spiele, kaum Training mit Ball, nur langweiliges Laufen um den Bolzplatz im Nachbardorf. Das war nix für mein 9-jähriges Ich. Da gab es spannendere Sachen. Klares Defizit an Disziplin und der Bereitschaft, sich zu quälen. Das wäre sowieso nichts geworden mit der Profikarriere.

Fußball verschwand also erstmal für ein paar Jahre aus meinem Bewusstsein. Bis der Bundesliga Manager den Aufstieg in die Eliteliga der Spiele auf meinem PC schaffte, das Interesse neu entfachte und die Liebe zum Spiel und zum Genre erst ermöglichte.

Bundesliga Manager Professional (1991)

Das Hauptmenü des BMP

Der Bundesliga Manager Professional von Software 2000 war mein Einstieg in das Genre. Mit Fußball nicht viel am Hut, ging ich an das Spiel heran, wie an jedes andere auch.

Nach Auswahl eines Clubs, startete man stets in der 3. Liga mit einem kleinen Stadion auf einem Acker, den es in die höheren Ligen zu führen galt. Die Oberfläche wirkte aufgeräumt, heute würde man spartanisch sagen. Über eine Hand voll Icons waren die einzelnen Bereiche wie Stadionausbau, Transfermarkt, Werbeverträge und Statistiken auswählbar. Im sportlichen Bereich konnte man die Mannschaftsaufstellung festlegen, Trainingslager auswählen und Trainingsschwerpunkte setzen. Die Stärke der Spieler setzte sich aus den 3 Werten Kondition, Technik und Form zusammen. Zwei Zusatzwerte noch, die eine Tendenz und den Grad der Erschöpfung anzeigten – fertig. Das hat damals durchaus zur Berechnung der Ergebnisse genügt. Nach dem Festlegen der Formation, der Aufstellung und des Einsatzes (mehr Taktik gibt es nicht) konnte der Spieltag beginnen.

Der Spieltag lieferte spannende Szenen

Und die Spieldarstellung hatte es in sich. Es gab eine Reihe von vorgefertigten, animierten Szenen, die in der unteren Bildschirmhälfte abgespielt wurden. Spannend wurde es dadurch, dass immer zwei Varianten einer Szene existierten. Eine führte zum Tor, die andere nicht. Mit einfachsten Mitteln wurde hier Spannung aufgebaut und eine passende Spieltagsatmosphäre mit all ihrer Dynamik aufgebaut. Der Gipfel der Spannung wurde erreicht, wenn im Hot-Seat-Modus zwei Mannschaften der Spieler aufeinander trafen. Das hatte schon was von Coaching-Zone. Ein weiteres Highlight war die Zusammenfassung des Spiels in einem Zeitungsbericht inklusive Benotung der Spieler.

Zeitungsartikel und Spielerbewertung

Es gab zwischen den Spieltagen noch nicht so viel zu tun, wie in heutigen Managern, so dass ein flottes Spiel durch die Saison möglich war. Schon nach wenigen Spieltagen entfaltete sich die ganze Faszination des Sports. Und erstmals trat bei mir der typische „Nur noch einen Spieltag“-Effekt auf. Ein Effekt, der auch im Nachfolger wiederkehren sollte.

Anstoss (1993)

Unser Büro – von hier aus gelangt man zu den Untermenüs

Zuvor kam allerdings Anstoss von Ascon (später Ascaron). Der Start der nächsten legendären Serie. Gerald Köhler und sein Team verfolgten bei Anstoss einen etwas anderen Ansatz, den sie in den Nachfolgern zur Perfektion treiben sollten: Humor. Die Kombination aus realistischer Simulation und dem aufs Korn nehmen des Fußball-Geschäfts sollte zum Markenzeichen werden.

Anstoss spielte sich völlig anders. Schon der Hauptbildschirm war anders. Kein simples Menü, man saß in einem schicken Büro mit Blick auf den Trainingsplatz und steuerte die Geschicke des Vereins von da aus. In Sachen Präsentation und Fußball-Flair hatte Anstoss die Nase klar vorn. Es gab viele stimmungsvolle Screens und die animierten Spielszenen hatten einen passenden Comic-Stil.

Animierte Spielszenen in Comic-Optik

Spielerisch bot man hingegen nichts Neues. Einiges wirkte auf mich sogar wie ein Rückschritt. So gab es keine Formationen oder gar freie Positionierung, die 11 Spieler wurden lediglich in einer sehr schlichten Ansicht nach Position (Tor, Abwehr, Mittelfeld, Sturm) aufgestellt. Taktisch konnte man die Spielweise (defensiv bis offensiv) und den Einsatz festlegen sowie Abseitsfalle, Schwalben und Siegprämie ein- oder ausschalten.

Für ein paar schnelle Runden machte Anstoss wirklich Spaß, trotz fehlender Lizenzen. So richtigen Tiefgang konnte das Spiel aber noch nicht erzeugen. Das schaffte zuerst die Konkurrenz.

Bundesliga Manager Hattrick (1994)

Das Hauptmenü des BMH

1994 war ich dann schon fußballbegeistert und der Bundesliga Manager Hattrick (BMH) sollte nach Wing Commander II das zweite Spiel sein, dass ich unbedingt haben wollte und zum Vollpreis kaufen würde. Der Hype begann schon mit den ersten Screenshots und den ersten Vorschauberichten in Play Time und Power Play und fand den Höhepunkt in den Tests. Das was da beschrieben wurde, hörte sich an wie ein Traum. Die handgemalten Standbilder (typisch für WiSims dieser Zeit), die Screenshots der Spieldarstellung, alles sah furchtbar gut aus. Es hieß sparen und Geld zusammenkratzen und betteln.

Mit diesen Bildern (hier Rückseite der Box) haben sie mich gekriegt

Es hat sich gelohnt. Ich weiß nicht, ob ich je wieder ein Spiel intensiver und länger gespielt habe. Dieses Spiel hatte einfach alles und war seiner Zeit weit voraus. Dazu war der BMH ein Optionsmonster. Allein der Einstellungsdialog – eine Matrix aus Schaltern und Zahlen – war nur mit einem extra Handbuch zu bedienen. Das war gleichzeitig der Kopierschutz. Man konnte sogar das Hauptmenü individualisieren, indem man die Widgets und Buttons frei auswählen und positionieren konnte. Wahnsinn.

Optionsmenü
Optionsmenü und Kopierschutz

Auch sonst war alles so viel besser als beim Vorgänger. Und auch besser als bei Anstoss. Ich sage nur Reality-Mode. Was da zu dieser Zeit auf den Rasen gezaubert wurde, war schon spektakulär. Hat man in den Einstellungen die richtigen Schalter getroffen, wurde einem die Simulation eines richtigen Fußballspiels geboten. Die Spieler konnte man im Aufstellungs-Bildschirm frei positionieren, es gab sogar schon eine Anzeige, wie gut die Spieler auf die Position passen.

Spielaufstellung

Der neue Taktikbildschirm, passenderweise als Taktiktafel gezeichnet, bot mehr Möglichkeiten als bisher in einem Fußballmanager. Spielausrichtung, kurze Pässe, lange Pässe, über die Flügel oder durch die Mitte, flache oder hohe Bälle, alles in mehreren Stufen. Dazu Abseitsfalle und Pressing. Und all das hatte nicht nur Auswirkung auf die Berechnung, man sah es erstmals direkt auf dem Platz.

Taktiktafel

Wenn ich zwei schnelle Flügelstürmer aufgestellt habe und eine Kontertaktik mit langen Bällen auf die Flügel vorgab, so konnte man das auf dem Feld beobachten. Es ruckelte und zuckelte, weil die Berechnung live stattfand aber die Spieler bewegten sich in ihrer Formation und leiteten die Konter mit weiten Bällen auf die Flügel ein, wo meine schnellen Stürmer der gegnerischen Abwehr enteilten. Das war eine Offenbarung für mich. Das war echter Fußball.

Reality-Modus – live berechnete 2D-Spielszenen

Die animierten Torszenen (drin oder nicht) waren dann wieder vorgerendert, das störte aber nicht. Bei den Spielszenen konnte man grafisch mit Anstoss sowieso nicht mithalten. Man konnte auch alles abschalten oder nur den Textmodus einschalten oder Textmodus und Torszenen. Selbst die Geschwindigkeit des Spielablaufs und der Animationen ließ sich festlegen.

Man konnte das Spiel voll und ganz auf seine Vorlieben anpassen. Mal schnell ein paar Saisons innerhalb einer Stunde durchspielen, um eine Entwicklung zu simulieren? Kein Problem. Taktiktüftelei und Spieltage in voller Länge im Reality-Modus zelebrieren, so dass man in einer Stunde nur zwei Spieltage schafft? Auch kein Problem. Das ganze Mischen? Geht auch. So kann man einen Verein mal schnell in drei Saisons runterwirtschaften, um ihn dann wieder aufzubauen. Es gab keine Grenzen.

Und was es alles gab. Es gab Lizenzverfahren mit Punktabzügen oder Zwangsabstiegen bei finanziellen Verfehlungen, es gab Fußballtoto, man konnte sowohl Stadion als auch das Stadionumfeld ausbauen, es gab richtige Transferverhandlungen, man konnte Werbung schalten, Fanartikel verkaufen, es gab unzählige Verletzungsarten mit unterschiedlicher Ausfallzeit, man konnte Geld in die medizinische Abteilung stecken und in die Jugendarbeit, es gab Spielverlegungen, man konnte sogar Immobilien kaufen und an der Börse spekulieren. So einen Umfang hat man noch nicht gesehen.

Dieser Detailreichtum hörte auch bei den Spielern nicht auf. Im Gegensatz zum Vorgänger hatte jeder Spieler zusätzlich zu den Hauptattributen Kondition, Technik und Form (jeweils im Wertebereich 0-99) die Spezialattribute Mannschaftsdienlichkeit, Schnelligkeit, Pass, Schuss, Zweikampf, Freistoß und Eckball, jeweils in 4 Abstufungen (mies bis spitze), die jeder Spieler individuell trainieren konnte. Dazu gab es Profilansichten zu jedem Spieler, wo Status, Marktwert, Vertragskonditionen, die Attribute und ein Profilbild angezeigt wurden. Und das zu jeder Mannschaft.

Ein Spielerprofil

Dieser Detailreichtum und Realismus trug ungemein zum Gefühl bei, einen echten Verein zu managen, mit echten Spielern. Man bangte um seine Mannschaft in engen Spielen, baute innerlich eine Beziehung zu seinem Team auf, so dass es einem manchmal sogar leidtat, einen verdienten Spieler mit miesen Formwerten auf der Bank zu lassen. Und das Spiel blieb auch nach dem Ausschalten im Kopf, man ließ Spiele Revue passieren, überdachte Entscheidungen und dachte über Aufstellungen und Taktiken nach und spann die Geschichte des Vereins weiter. Ein Gefühl, das bei mir seit diesem Spiel besonders in Erinnerung blieb und das ich mir von jedem neuen Fußballmanager erhoffe.

Es folgt …

Der nächsten Teil der Retrospektive behandelt die World Cup Edition von Anstoss, die verbuggten Fortsetzungen des Bundesliga Managers sowie die Fortsetzungen der Anstoss-Serie mit ihrem Höhepunkt Anstoss 3.

2 Gedanken zu „Fußballmanager in der Retrospektive

  • 1. Oktober 2017 um 16:57
    Permalink

    Ahh … da weckst Du aber Erinnerungen. Sehr schön.
    Gleich mal Anstoss 3 rauskramen.

    Antwort
    • 1. Oktober 2017 um 17:03
      Permalink

      Das werde ich für den zweiten Teil des Artikels auch noch mal machen. Mal schauen, wie gut es gealtert ist.

      Antwort

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